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SALZBURG:

Schafe (und Kühe. und Pferde)

Fotos: Eva Mühlbacher

6. Juli 2016

Bei Aufbruch anmachen

 

Wenn früher etwa eine Matheschularbeit oder eine Caorlereise ins Kinderzimmer standen, musste ich in dem Moment aufs Klo stürmen, in dem sich hinter den noch schweren Lidern die ersten Erkenntnisse zur Lage regten.

 

Je älter ich werde, desto weniger oft passiert das (zum Glück schon gar nicht wegen Matheschularbeiten). Meistens schlage ich morgens die Augen auf und schaue dann mollig in den neuen Tag hinein. Nicht einmal mehr Vorstellungsgespräche, Friseurbesuche oder anderer mondäner, teils mit Entfremdung einhergehender schnöder Kram animiert mein System dermaßen, dass ein nervöser Magen die Folge wäre.

 

Aber – es gibt ihn doch noch. Dann und wann. Und heute war er auch wieder da. Dieser flaue, kribbelnde Magen, diese Aufregung beim Aufwachen, dieses ungeduldige Ziehen und Zerren in den Nerven und dieser Sprint aufs Klo.

 

Früher drängte mich dabei nichts mehr als der Wunsch, all das so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, um wieder in den üblichen, friedsamen Normalozustand zurückzukehren. Aber jetzt ist das anders. Weil jetzt weiß ich, dass dieser Zustand außer Aktion im Parasympathikus auch noch eine frohe Kunde bereithält. Die lautet: jetzt passiert dann etwas. Und zwar in Echt!

 

Es steht etwas Neues, Unbekanntes, Aufregendes, Lebendiges in die Singlewohnung. Etwas von dem ich nicht weiß, wie es sich anfühlen wird, wie es ausschaun wird, und schon gar nicht wohin es mich führen wird. Aber auch etwas, von dem ich weiß, dass es mich so viel reicher machen und mein Leben verdichten wird. Und vielleicht ist vor einem solchen Abenteuer eine Totalentleerung eben auch nur total vernünftig. Hach - wie Natur das immer alles einrichtet! Und jetzt hinaus zu ihr, äh, hinein in sie... 

 

20. Juli 2016

Das 1. Mal oder: ins Gefühl kriegen

 

Das 1. Mal im Leben erschöpft mit mittagsmüden Schafen im Schatten der Liftstation dösen. Drei schottische Hochlandrinder, die scheinbar planlos auf mich zugaloppieren, mit einem überzeugten „Ho!“ abbremsen. Eine Schafherde mit über 100 Stück den Rosskogel hochtreiben, indem ich bis zur Heiserkeit „Hopp Hopp Schweinsgalopp“ rufe. Während sie an mir vorüberziehen, bleibt das eine oder andere Schaf kurz stehen, schaut mich an, zieht unter den Wolllocken vermutlich kurz die Stirn kraus, sagt „Mäh“, denkt in Wahrheit aber „Macht die das etwa zum 1. Mal?!?“. Ich dann so: "ja, mähähache ich!".

 

Vieles im Leben hab ich ja schon mehrmals gemacht. Hab's begriffen, eingeübt und  so sehr einverleibt, dass eine bis in alle Muskelfasern eingedrungene Selbstverständlichkeit herrscht, die manchmal schon an trockenen Automatismus grenzt. Natürlich greif ich da ab und zu nach einem Buch über Achtsamkeit oder erklimme mein Meditationskissen. 

 

Aber. Immer nur lesen geht dann ja auch nicht. Stattdessen empfiehlt es sich wohl, sich im Leben immer mal wieder etwas völlig Neuem zuwenden und durch die Unsicherheiten des 1. Males zu gehen. Die Möglichkeiten dafür sind endlos. Ich hab mich dank meines Landwirtschaftsfetisches für 2 Wochen Tiere hüten auf einer Alm entschieden. Wohin ich letztens übrigens für eine kleine Einschulung fuhr, ernst wird es dann erst nächste Woche. 

 

All diesen Anfängen (ich kann's mir nicht verkneifen:) wohnt nicht nur ein Zauber inne, sie haben auch gemein, dass ich mich dabei wie ein kleiner Zauberlehrling fühle. Nämlich wirklich neugierig, unbefangen, offen - und ein bissi naiv vielleicht. Die Tolpatschigkeit, die darüber hinaus dazukommt, amüsiert mich eher, als dass sie mich in meinem Bestreben des Erlernens und Einübens irritieren würde. Und schließlich passiert am Ende immer das Schönste von allem: ich krieg die Dinge langsam ins Gefühl. Und damit auch mich selbst und die Welt in der ich lebe bin ein bißchen mehr als vorher.

 

 

21. August 2016

171 Bababussis oder Alm: geschehen

 

Nachdem ich sie jetzt tagelang verantwortungs- und liebevoll gehalten habe [Beruf: Halterin aka Hirtin], busselte ich die bewollten und befellten Wesen baba und übergab die Alm an J. Letzteres tat ich schweren und leichten und vollen und leeren und beglückten und irritierten Herzens, und muskulös wie nie. Weil, eine Alm ist kein Ponyhof, und 171 Tiere im Nacken kein Urlaub in Österreich.

 

Es wollten 320 Hektar raues Gelände zur Westentasche gemacht werden, einem verträumten Blick die Naivität ausgetrieben und stattdessen für tierische Individuen und deren gesundheitliche Verfassung geschult werden, 103 Schafe bei Schneefall vom selbstständigen Abzug ins Tal abgehalten werden, unter anderem auch um das entgegengebrachte Vertrauen der Bauern und meiner Alm-Chefin L. zu bestätigen, den Inhalt des Eimers aus dem Trockenklo in einer Doline versenkt , Holz gehackt und die Geruchsentwicklung der Socken im Zaum gehalten werden - und mein Stirnfransen-Look wollte auch ohne Föhn irgendwie gerockt werden. Da hab ich nicht aufgegeben, auch wenn ich weiß, dass man sowas wie Frisuren im Leben und grad auf der Alm auch wirklich einfach mal gut sein lassen könnte.

If you  have to force it, leave it.

Relationships.

Friendships.

Yoga Poses.

Perfect Pony Tails.

Let that shit go. 

 

Aber, ich schweife ja total ab. Natürlich war da oben in der frischen, dünnen Luft auch ganz viel Gutes, Warmes, Schönes. Durchs Schwarzbeerenfeld kullern, die ganze Sommererde vor Schönheit nicht packen können, mit Kälbern kuscheln, gähnende Pferde hinterm Nutellabrot wähnen, spontane Mittagsessenseinladungen annehmen, naturtalentierte Co-Hirten zur Seite haben, fantastische Träume unter einem ebensolchen Sternenhimmel, 4 Bücher auslesen, Kakao mit Rum und Sternschnuppen, Sonnenbaden zwischen Kuhleibern, mutig durch den Nebel schreiten, dann in den See glotzen, ein Jura-Schaf, das sich während eines ganzen Telefonats eng ans Bein drückt, zischende Magnesium-Drinks an der warmen Hauswand, Nackerbatzlfreiheit beim Outdoor-Duschen, weiße Schafwimpern die sich genussvoll schließen, von einem Schmetterling umtanzt werden, eine Kuh wie ein Einhorn, tierische Mutterliebe und Solidarität, Kaiserschmarrn über'm Feuer machen uswusf.

 

Also, schon sehr schön auch. Aber noch nicht das Allerschönste. Was das war? Erzähl ich dann beim nächsten Mal. Cliffhang on....

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