Kummerkirschen
- Admin
- 1. Juni 2017
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10. 9. 8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1. Das Kind lehnt mit seiner hohen Stirn und geschlossenen Augen an der rauen Kirschbaumrinde und zählt ein. Vor dem Suchspiel herrscht das Versteckspiel. Man versteckt sich am besten, indem man hinter die Dinge tritt und leise ist. Sich selbst zu finden ist dann die Aufgabe eines anderen. Kommt niemand hat man sich selbst verloren, weiß nicht wo man ist, wie man fühlt, was man will. Die schwere Leiter kann der starke Vater bis an den höchsten Ast voller Kirschen hieven. Darüber staunen die Nachbarn, aber das ist doch gar kein Problem, bitte gern geschehen, und immer wieder wenn ihr was braucht! Seiner Kräfte war er sich seit jeher bewusst. Dass sich dahinter ein verlorenes Selbst versteckte erkennt er erst jetzt, und es bricht dem starken Mann das Herz. Weil er damit Kinderherzen zerbrochen hatte. Es trifft ihn jetzt unvermittelt wie eine überreife Kirsche von oben. Dass er seiner Frau nicht sagte, dass die Nähe suchenden Kinder sonntagmorgens im großen Bett doch erwidert werden könnte. Seine Frau schickt sie weg und er lässt es geschehen, die Kinder gehen einsam in ihre eigenen Betten zurück, verdrängen den Schmerz und erinnern sich später nur an gelungene Kuschelsonntage im Elternschlafzimmer. Wie viele waren es? Selbst wenn man viel zu viel mit Puderzucker bestäubten Kirschenstrudel verdrückt, bleibt lang vor sich hingegorene Kummer in allen Herzen, wie unaufgeklaubte Kirschen in der Sommerwiese.
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